Angriff auf einen Buchladen der Fédération Anarchiste

[Dies ist eine Übersetzung aus dem Französischen. Den Originaltext findet ihr hier.]

Heute trifft es uns, aber wen trifft es morgen ?

In der Nacht vom 17. zum 18. Oktover 2015 hat gegen zwei Uhr morgens eine Gruppe von 5 Personen, die als Mitglieder der lokalen faschistischen Szene indentifiziert wurden, den Buchladen L’Autodidacte angegriffen (5 rue Marulaz in Besançon). Der Buchladen beteiligt sich am Leben im Viertel mit dem Veranstalten von Debatten,  Konzerten und Filmvorführungen. Der Ort ist ein Treffpunkt für die libertäre Bewegung in Besançon. Dazu ist er auch der Buchladen der  Groupe Proudhon der  Fédération Anarchiste.

Seit Jahren ist dieser kulturelle und politische Ort für das Viertel geöffnet und beherbergt zahlreiche Projekte und Strukturen (Gewerkschaften, Amap, Vereine), die sich als Alternative zum Kapitalismus verstehen. Er ist ein Werkzeug, um populäre, alternative, kämpferische und libertäre Ideen zu verbreiten. Darum haben Befürworter*innen einer ultra-autoritären Ordnung diesen Buchladen, der für die soziale Emanzipation kämpft angegriffen.
Die Fensterläden und die Eingangstür wurden zerstört. Die Angreifer*innen hatten aber nicht die Zeit, ins Innere des Buchladens vorzudringen. Der Angriff konnte durch das entschlossene Eingreifen von Personen, die an dem Treffen von Alternatiba teilnahmen, abgewehrt werden . Wir möchten uns hier bei diesen Personen bedanken.

Dieses entschlossene Handeln sollte wegweisend sein. Wenn Post-Faschist*innen eine*n von uns angreifen, müssen wir kollektiv und sofort reagieren. Es ist eine Form von antifaschistischem Selbstschutz. Sein Ziel ist es, die Nostalgien eines Frankreichs der weißen Rasse in die Mülleimer der Geschichte zu schmeißen. Die Werkzeuge, die uns die politische Präsenz  auf der Strasse, in den sozialen Bewegungen, in der Kultur usw. ermöglichen, sind auch gut genug, um zu verhindern, dass die braune Gewalt zunimmt.

Die Polizei hat momentan zwei Angreifer*innen festgenommen. Wir rufen die soziale Bewegung auf, wachsam zu sein und empfehlen gegenseitige Hilfe und Solidarität als Mittel zum Selbstschutz.

Die Fédération Anarchiste grüsst und  unterstützt ihre Genoss*innen von der Librairie l’Autodidacte hier nochmals ausdrücklich.

Fédération Anarchiste

Librairie l'Autodidacte

Grenzen überwinden, Rassismus bekämpfen!

a-netz aufruf coverbild[Hier könnt ihr den Aufruf des Anarchistischen Netzwerks Südwest* zu den Antira-Action-Days in Karlsruhe am 30. und 31. Oktober 2015 lesen. Von Offenburg aus wird es einen Zugtreffpunkt geben. Stay tuned!]

Rassismus von unten

Der Rassismus tobt in Deutschland: Es vergeht kaum mehr eine Woche in der nicht eine geplante oder teilweise auch schon bewohnte Flüchtlingsunterkunft brennt. Allerorten werden „Nein zum Heim“-Initiativen, welche sich gegen die Unterbringung von Geflüchteten aussprechen, gegründet. Oft stecken dahinter Kader aus NPD, neonazistischen Kleinstparteien wie Der dritte Weg oder die Partei Die Rechte und Aktivist*innen der freien Kameradschaftsszene. Diesen Initiativen gelingt es jedoch vielerorts mit den von ihnen organisierten offen rassistischen Demonstrationen und Mahnwachen weit über das übliche neonazistische Umfeld hinaus zu mobilisieren. Was sozialwissenschaftliche Studien schon lange konstatierten – ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Bevölkerung teilt rassistische, antisemitische, antiziganistische und sozialchauvinistischen Einstellungen – sich aber bisher nicht in Wahlergebnissen faschistischer oder rechtspopulistischer Parteien zeigte, manifestiert sich jetzt auf der Straße. Unter dem Deutschlandfahnenmeer von PEGIDA und seinen Ablegern versammelt sich die aktualisierte Version des autoritären Charakters – die sogenannten „besorgten Bürger“ oder „Asylkritiker“ – zu einer konformistischen Revolte gegen die vermeintliche Bedrohung durch das „Undeutsche“. Diese „besorgten Bürger“ kommen aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft und sympathisieren momentan noch eher mit der rechtspopulistischen Alternative für Deuschland (AfD) als mit offen rechtsradikalen Parteien und Gruppen.

Bestärkt durch diese rechte Massenbewegung auf der Straße, schreiten militante Faschist*innen immer öfter zur Tat. Bevorzugtes Ziel von Attacken sind Geflüchtete, Muslim*innen, Roma und Jüd*innen, aber auch Obdachlose, Langzeitarbeitslose, LTGBIQ*-Menschen und Linke kommen immer öfter ins Visier. Neben Demonstrationen, Mahnwachen, dem Besuch von Bürger*innenversammlungen entwickelt sich eine „Massenmilitanz“ von Rechts, welche sich in fast wöchentlichen Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, der Einschüchterung politischer Gegner*innen und Krawallen mit Pogromstimmung (Freital, Heidenau) manifestiert.

Diese Entwicklung ist auch bei weitem kein reines Ost-Phänomen: In Baden-Württemberg gibt es PEGIDA-Ableger in Karlsruhe (seit Neuestem Widerstand Karlsruhe) und Villingen-Schwenningen. NPD, Die Rechte, Der dritte Weg und die Identitäre Bewegung versuchen – wenn auch bisher noch recht erfolglos – lokale „Nein zum Heim“-Kampagnen zu starten. In diesem Jahr gab es schon zahlreiche Anschläge auf Flüchtlingsheime und Angriffe auf Geflüchtete u. A. in Waiblingen, Linkenheim-Hochstetten, Rheinstetten, Malterdingen, Aspach, Dettingen unter Teck, Reutlingen, Sindelfingen, Sontheim an der Brenz, Bad Krozingen, Wendlingen am Neckar, Limburgerhof, Engen, Calw, Oppenheim, Remchingen, Radolfzell, Ellwangen, Balingen, Weissach im Tal, Rottenburg am Neckar, Riedlingen und Wertheim. Zudem versuchte die NPD in unmittelbarer Nähe zur Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Meßstetten auf der Schwäbischen Alb ihre neue Geschäftsstelle für Baden-Württemberg zu eröffnen. Auch ihr Bundesparteitag soll im nordbadischen Weinheim stattfinden. Für die AfD stehen die Chancen bei der Landtagswahl nächstes Jahr über die 5%-Hürde zu kommen nicht all zu schlecht.

Rassismus von oben

Die Rassist*innen auf der Straße radikalisieren dabei jedoch nur, was sowieso schon praktiziert wird: Die Sortierung von Menschen anhand ihrer Herkunft.
Rassismus ist eine Ideologie – ein falsches Weltbild – in dem Menschen anhand äußerer oder kultureller Merkmale von den Rassist*innen einer bestimmten Gruppe unveränderbar zugeordnet und ihnen darüber dann bestimmte, meist negative Eigenschaften zugesprochen werden. Damit werden Diskriminierung und meist ökonomische Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse gerechtfertigt. Die lange Zeit dominante Form des »klassischen«, biologistisch argumentierenden Rassismus transformiert sich zunehmend zu einem kulturalistisch argumentierenden Rassismus. Mittlerweile wird eher weniger auf »Rasse« oder Gene, sondern mehr auf die angebliche »Kultur« eines Menschen verwiesen, um ihn entweder als gesellschaftliche »Bereicherung« oder als »Störfaktor« zu klassifizieren.

In der aktuellen Flüchtlings-Debatte wird hierbei eine Unterscheidung von Geflüchteten in zwei Gruppen vorgenommen: So stehen auf der einen Seite »nützliche« Einwanderer*innen, gut ausgebildet, der deutschen Wirtschaft dienlich, sowie »Kriegsflüchtlinge«. Wer nicht in diese Kategorien fällt, der wird als »Wirtschaftsflüchtling« oder »Scheinasylant« diffamiert, der das Asylsystem »missbrauchen« würde und so schnell wie möglich wieder abgeschoben werden soll. Die deutsche Abschiebepraxis, die von den Grünen, der SPD und der CDU getragen wird, funktioniert nach eben dieser menschenverachtenden Maßgabe.

Doch diese Unterscheidung von legitimen und nichtlegitimen Fluchtgründen ist rassistisch. Sie dient der Rechtfertigung der Diskriminierung und Abschiebung eines Großteils der Geflüchteten. In Baden-Württemberg sind das besonders Roma aus den Balkanländern, welche vor Diskriminierung und Armut fliehen.
Der Druck auf der Straße zeigt auch schon auf staatlicher Ebene Wirkung: Mit dem Gesetz „zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ wurde unlängst die nächste Verschärfung des Asylrechts mit Stimmen aus SPD und CDU beschlossen. Neben ein paar Zugeständnissen für Menschen mit Duldungsstatus werden gleichzeitig Abschiebehaft, Einreise- und Aufenthaltsverbote und Ausweisungen zur gängigen behördlichen Praxis werden.
Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg übertrifft derweil ihre schwarz-gelbe Vorgängerregierung in puncto staatlichem Rassismus um Längen: Nicht nur gab es dieses Jahr keinen Winterabschiebestopp – was bedeutete das viele Flüchtlinge ohne Hab und Gut mitten im Winter in die Obdachlosigkeit abgeschoben wurden – oder dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Die Grünen) durch seine Stimme im Bundesrat Serbien, Mazedonien und Bosnien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärte – was bedeutet, dass Asylanträge von Geflüchtete aus diesen Staaten als „offensichtlich“ unbegründet abgelehnt werden, obwohl der dort grassierende Antiziganismus nachweislich vielen dort lebenden Roma ein Leben in Würde unmöglich macht. Nein, auch mit der Anzahl an Abschiebungen soll in Baden-Württemberg geklotzt und nicht gekleckert werden: Im ersten Halbjahr diesen Jahres wurden 1080 Menschen gegen ihren Willen aus Baden-Württemberg abgeschoben, nur Bayern schiebt mehr ab.

Rassismus gegen Roma

In der Hetze gegen Geflüchtete aus den Balkanländern werden alte Ressentiments bedient. Es wird von „Scheinasylanten“ gesprochen, welche nach Deutschland kommen würden, um hier Sozialleistungen zu erhalten und nach ihrer „freiwilligen“ Ausreise ein gutes Leben in ihren Herkunftsländern führen könnten.
Auch wenn die Entscheidungsträger*innen hier vorrangig nach ökonomischer Nützlichkeit sortieren (ungelernte Arbeiter*innen werden momentan in Deutschland nicht gebraucht), in solchen Aussagen wirken alte antiziganistische Ressentiments in aktualisierter Form: Die Geflüchteten aus den Balkanländern werden als nomadisch (pendelnd zwischen Herkunftsland und Deutschland), faul (nicht gewillt zur Lohnarbeit), kriminell (erschleichen sich die Asylleistungen) und assozial (nehmen den „wirklichen“ Flüchtlingen die Plätze weg) dargestellt. Das sind Vorwürfe, die historisch immer wieder Sinti und Roma gemacht wurden und – welch Wunder – die meisten Geflüchteten aus den Balkanländern sind Roma. Als Reaktion auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen werden Arbeits- und Ausbildungsverbote, Sach- anstatt Geldleistungen und eine Konzentration der Balkanflüchtlinge in sogenannten „Aufnahmezentren“ – also speziellen Lagern – diskutiert.

Munter wird an einer jahrhundertealten Geschichte der Verfolgung und Diskriminierung weitergeschrieben: Sinti und Roma traten in Mitteleuropa zu Beginn des 15. Jh. das erste Mal in Erscheinung. Wurden sie zuerst als umherziehende Pilger*innen begrüßt, änderte sich die Beurteilung jedoch schnell. Mit dem Beschluss des Reichstags zu Freiburg 1498 wurden sie offiziell aus den deutschen Gebieten verwiesen und das erste Mal für „vogelfrei“ erklärt. Das zentrale Element des Antiziganismus ist hierbei die Verfolgung der „Zigeuner“, da sie sich – vermeintlich – nicht dem Zwang zur Lohnarbeit, sowie der damit einhergehenden Sesshaftigkeit, beugen wollten oder konnten. Im 18. Jahrhundert kam es dann zu einer biologistischen Rassifizierung der „Zigeuner“. Galten sie vorher als eine Art Bettler*innen und Vagant*innen, waren also mit einer bestimmten sozialen Lage verknüpft, wurden sie nun als Angehörige einer „Zigeunerrasse“ angesehen. Es folgte die polizeiliche Erfassung und Bekämpfung. So wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts systematisch Akten angelegt und Sinti und Roma wurden das Ziel diverser Umerziehungsversuche. 1926 trat schließlich in Bayern das „Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen“ in Kraft, das es erlaubte jeden „Zigeuner“, der keiner regelmäßigen Arbeit nachging, in eine sogenannte „Arbeitsanstalt“ einzuweisen. Im Nationalsozialismus waren Sinti und Roma von den Nürnberger Rassengesetzen betroffen. Ab 1936 begann man damit sie in sogenannte „Zigeunerlager“ zu internieren. 1938 wurde von Himmler die „endgültige Lösung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse“ angeordnet. Der Porajmos, also der systematische Genozid mit dem Ziel alle als „Zigeuner“ ausgemachten Menschen zu ermorden, begann 1939. Die Deutschen ermordeten bis 1945 mehrere hunderttausend Roma und Sinti.
1953 wurde beim Landeskriminalamt in Bayern mit altem Nazipersonal erneut eine „Landfahrerzentrale“ aufgebaut. Der Zusatz „ZN“ für “Zigeuner” wurde in der Kriminalistik bis 1984 verwendet. Der Großteil der Überlebenden des Porajmos wurden bis heute unzureichend oder nicht entschädigt. Die Diskriminierung und Ausgrenzung dauert bis heute an. Die gängigsten Vorurteile in der Mehrheitsbevölkerung sind immer noch, dass Roma betteln, stehlen und in Wohnwägen leben würden. Aber auch eher romantische Elemente gehen in das Roma-Stereotyp ein, etwa dass „die Zigeuner“ für ungehemmte Freiheit, für Musik und für erotischen Tanz stehen würden. (Exotismus)

Krise und Rassismus

In Zeiten der Krise des Kapitals ist heute jeder potentiell vom ökonomischen und sozialen Absturz bedroht. Dies hat zwei individualpsychologisch zu begreifende Folgen:
Auf der einen Seite droht in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft immer latent das eigene Überflüssigwerden, also der Verlust der Möglichkeit der eigenen Reproduktion in Form des Verkaufes der eigenen Arbeitskraft durch Arbeitslosigkeit (sei es durch Krankheit, Alter oder der nächsten Wirtschaftskrise). Dadurch entstehen existentielle Ängste, die den Effekt haben, dass in den Menschen das Verlangen geweckt wird, in der scheinbar sicheren und natürlichen Gemeinschaft der Nation und/oder des Volkes Schutz und Solidarität zu suchen.
Diese Gemeinschaft der Nation bzw. des Volkes erlaubt den Einzelnen, ihr Bedürfnis nach Handlungsfähigkeit gegenüber gesellschaftlichen Verhältnissen, denen man sich hilflos ausgeliefert fühlt, zu befriedigen. Hier kann die Lücke zwischen Ideal-Ich (dem handlungsfähigen autonomen bürgerlichen Subjekt) und der Realität (der Ohnmacht gegenüber ökonomischer Prozesse, welche sich hinter dem Rücken der Akteure vollziehen) geschlossen werden. Man entgeht somit einer narzisstischen Kränkung, also einer Infragestellung des eigenen Selbstwertgefühles.
Gesellschaftliche Widersprüche werden im rassistischen und antiziganistischen Weltbild nun in Form einfacher Innen-Außen-Widersprüche (z.B. Deutscher – „Zigeuner“) transformiert. So werden Phänomene, Widersprüche und Probleme welche die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft aus sich selbst heraus (re-)produziert (z.B.: Urbanisierung, Individuation, Ausbeutung, Monopolbildung, Verelendung, Massenarbeitslosigkeit) den „Anderen“ zugeschrieben. Als Lösung des Problems erscheint nun die Vertreibung/Verfolgung der „Anderen“, also im Antiziganismus der „Zigeuner“. Die „Zigeuner“ oder Geflüchteten werden zum Sündenbock für alles Negative.

Fluchtgründe

Antiziganismus ist vor allem in Osteuropa und den Balkanländern weit verbreitet. Die Mehrheit der Roma hat keine festen Unterkünfte, keine richtigen Wohnungen. Sie organisieren ihr Überleben in irregulären Siedlungen, Slums, oft ohne Wasser-, Abwasser- und Stromanschluss. Die Lebenserwartung ist gegenüber dem gesellschaftlichen Durchschnitt entsprechend niedrig, die Kindersterblichkeit um ein vielfaches höher. Ein regelmäßiges Einkommen ist fast nie vorhanden. In vielen Haushalten gibt es tagelang kaum etwas zu essen. Kernrechte, wie das Recht auf Wohnen, Nahrung, Arbeit, Bildung etc. sind nicht garantiert. Die Roma leiden unter Vorurteilen, systematischer Diskriminierung, Marginalisierung, Ausgrenzung und gewalttätigen Übergriffen. Viele unterliegen einem permanenten Vertreibungsdruck. Polizeiliche Räumungen von Roma-Siedlungen sind alltäglich. Dies sind die Gründe warum viele in der Hoffnung auf ein besseres Leben hierher nach Deutschland kommen.

Revolutionäre Perspektive

Rassismus hat viele Gesichter: diskriminierende Sprüche und Gesten, Polizeikontrollen aufgrund der Hautfarbe, nächtliche Abschiebungen, Brandanschläge und Pogrome, diskriminierende Gesetze, die Sortierung von Menschen nach ihrer ökonomischen Nützlichkeit. Sie sind allesamt zu bekämpfen! Doch neben diesen alltäglichen antirassistischen und antifaschistischen Abwehrkämpfen müssen wir eine eigene sozialrevolutionäre Perspektive eröffnen: Antifaschismus und Antirassismus müssen mehr sein als die Verteidigung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Wenn wir Faschismus und Rassismus nachhaltig bekämpfen wollen, müssen wir auch ihre Entstehungsbedingungen und die kapitalistische Vergesellschaftung angreifen, denn die beste Praxis gegen Volksgemeinschaft, Nationalismus und Rassismus ist immer noch der Klassenkampf, verstanden als Selbsttätigwerden der lohnabhängigen Klasse mit dem Ziel ihrer eigenen Aufhebung!

Als Anarchist*innen lehnen wir diese bürgerlich-kapitalistische Gesellschaftsform ab, welche die Menschen in nützlich und unbrauchbar einteilt. Wir wenden uns gegen diese Ordnung, die lediglich darauf abzielt, Gewinne zu erwirtschaften und in dem sich nur das Kapital frei und grenzenlos bewegen kann. Armut, Not und die Flucht davor sind keine Naturkatastrophen, sondern Resultate des kapitalistischen Systems! Eines Systems, das Menschen neben leer stehenden Häusern obdachlos werden oder andere neben Tonnen weggeworfener Lebensmittel verhungern lässt. Ein System, das nicht darauf ausgelegt ist, die Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen, sondern alles, ob Mensch oder Natur, ausschließlich seiner mörderischen Verwertungslogik unterwirft.

Wir treten für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung ein, eine Gesellschaft ohne Staaten, Nationen, Grenzen und Zäune, eine Gesellschaft in der kein Mensch mehr über einen anderen Menschen herrschen soll. Wir wollen den freiheitlichen Kommunismus, also eine Gesellschaft basierend auf den Prinzipien der individuellen und kollektiven Freiheit, der gesellschaftlichen Selbstverwaltung und der kollektiven Bedürfnisbefriedigung.

Wir rufen deshalb zur Beteiligung an den Antira Action Day’s am 30. und 31. Oktober 2015 in Karlsruhe auf. Setzen wir ein Zeichen gegen den Rassismus in Staat und Gesellschaft und werben wir für die Perspektive einer herrschaftsfreien Gesellschaft!

Gegen jeden Rassismus! Für den freiheitlichen Kommunismus! Für die Anarchie!

Anarchistisches Netzwerk Südwest* September 2015

[Für weitere und aktuelle Infos schaut bisweilen auf  a-netz.org vorbei. Das regionale Bündnis kommt demnächst in die Puschen.]

Offenes Treffen: Anarch@-Minigolf in Offenburg

a-minigolfSchon den ganzen Sommer über haben die Leute vom Jugendzentrum Kessel den Minigolfplatz betrieben, nun übernehmen wir ihn für einen Tag. Wir laden euch ein zu unserem Offenen Treffen mit Minigolf, veganer Grillerei und kühlen Getränken. Und da wir euch ja auf die dunkle Seite ziehen wollen, könnt ihr an unserem Büchertisch in anarchistischer Literatur schmökern und euch mit uns über eine Welt jenseits von Herrschaft, Grenzen und Kapitalismus unterhalten.

Samstag, 26.09.2015, ab 15 Uhr
Minigolfplatz beim Freibad/Bürger*innenpark

In Kooperation mit dem Kessel Offenburg

Ungewollter “Ruhm” – Der Verfassungsschutz hat uns im Blick

Titelseite des VS-Berichts Ba-Wü 2014“Anarchistische Gruppen befinden sich weiter im Aufwind. Im Februar 2014 veröffentlichte eine Ende 2013 neugegründete „Anarchistische Initiative Ortenau“ auf „linksunten. indymedia“ ihr Selbstverständnis. Entgegen ihrem Ideal einer „Gesellschaft ohne Gewalt und Herrschaft“, heißt es darin u. a., sei der Kapitalismus „eine der stärksten Formen von Herrschaft“ mit tödlichen Folgen für Mensch und Natur. Der „bürgerliche Rechtsstaat“ wiederum ermögliche durch seine Gesetzgebung „das Funktionieren des Kapitalismus. Dadurch sind Staat und Kapitalismus heutzutage untrennbar miteinander verbunden.“ Die Gruppe will mit ihrem Wirken „schon heute“ ihren Teil zur Verwirklichung einer „anarchistische[n] Gesellschaft“ beitragen.” (aus dem Verfassungsschutzbericht für Baden-Württemberg 2014, S. 217, dritter Absatz)

Am 31.05.2015 wurde der Verfassungschutzbericht für Baden-Württemberg für das Jahr 2014 veröffentlicht. In ihm werden wie jedes Jahr alle Gruppen und Entwicklungen zusammengefasst und beschrieben, die in den Bereich des § 3 Abs. 1 BVerfSchG fallen:

  • Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben,
  • sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht,
  • Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
  • Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind.

Mit ihm soll im Rahmen des Konzepts „Verfassungsschutz durch Aufklärung“ ein Beitrag zur „geistig-politischen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus“ geleistet werden.

Nun wurde auch uns die zweifelhafte Ehre zuteil, in ihm genannt zu werden. Wir seien ein Teil des Aufwindes, in dem sich anarchistische Gruppen befänden. Ja, das haben die Staatsschnüffler*innen gut beobachtet: Seit einigen Jahren gründen sich mehr und mehr anarchistische Gruppen, Netzwerke und Föderationen. Und wir sind ein Teil davon. Wie im Bericht gut erkannt – wenn auch merkwürdig formuliert – treten wir für eine Gesellschaft ohne Gewalt und Herrschaft ein und lehnen darum natürlich auch den Kapitalismus und den bürgerlichen Rechtsstaat ab. Dessen Verfassung soll durch die Bundes- und Landesbehörden des Verfassungsschutzes geschützt werden. Wir wollen hier jetzt nicht billig auf der Zusammenarbeit mit dem “NSU” herumreiten oder auf die Tatsache hinweisen, dass es heute ohne die intensive und fachlich präzise Mitarbeit seiner V-Leute keine so breit aufgestellte NPD gäbe, wollen aber kurz bezweifeln, dass der VS seine ursprüngliche Arbeit auch nur in Ansätzen verstanden hat (Die wir, wenn er sie denn “richtig” machen würde, immer noch scheiße fänden.).

Nein, wir wollen schreiben, dass wir es gar nicht “toll” oder “cool” finden, dass wir im Bericht auftauchen. Dass wir genannt werden, wundert uns nicht wirklich, wir finden es trotzdem unheimlich. Es ist keine irgendwie geartete “Auszeichnung”, die uns “adelt” oder uns in der linksradikalen und anarchistischen Bewegung radikal erscheinen lässt. Sie zeigt uns, dass wir im Visier der Schnüffler*innen stehen. Und das macht etwas mit uns als Menschen und als Gruppe. Es ist ein Wink mit dem staatlichen Repressionszaunpfahl: Wir haben euch auf dem Kieker! Die beabsichtigte Wirkung lässt sich mit der von den öffentlichen Raum überwachenden Videokameras vergleichen: Wenn mensch weiß , dass er*sie überwacht wird, verhält er*sie sich anders, vielleicht angepasster.

Aber nichts desto trotz werden wir uns vor dem Zaunpfahl nicht wegducken und uns nicht einschüchtern lassen: Im Gegenteil, wir werden weiter für eine befreite Gesellschaft eintreten, gegen die unmenschlichen Zumutungen des Kapitalismus kämpfen und gegen die normierenden Zwänge des Staates aufmucken.

Verfassungsschutz auflösen.
Geheimdienste abschaffen.

Für die Anarchie!

Emma Goldman Feministin, Anarchistin, Revolutionärin

Emma-GoldmanAus Anlass des 75. Sterbejahres werfen wir einen Blick auf die Bedeutung Emma Goldmans für die feministische Bewegung damals wie heute. Anhand ihres autobiografisch festgehaltenen Lebenswerks wird die feministische Entwicklung einer revolutionären Anarchistin nachgezeichnet, die im Heute nach wie vor Relevanz besitzt.

Womit hatten Feminist*innen vor mehr als 100 Jahren zu kämpfen? Was hat sich bis heute nicht geändert? Welche Errungenschaften basieren auf Kämpfen, an denen Emma Goldman einen maßgeblichen Anteil hat?

Anhand ihres Werkes “Gelebtes Leben” wird der Referent in einer Kombination aus Buchvorstellung und Vortrag versuchen, antworten darauf zu finden.

Ein Vortrag von und mit Anton Anders

Freitag, 19.06.2015, 20 h Linkes Zentrum R12 Rammersweierstrasse 12, Offenburg Eintritt frei

Ab 19 h 30 vegane VoKü

Die Politik und der Erste Mai

4229275_79a4d6f230An der diesjährigen Ersten Mai Demonstration in Offenburg beteiligten sich an die 200 Menschen. Über 50 Leute reihten sich in den antikapitalistischen Block ein.

Vorspiel: Eher unschön begann für uns der internationale Kampftag der Arbeiter*innen in Offenburg. Wie schon letztes Jahr bauten wir vor der Demo unseren Infotisch in der Reithalle auf. Dort sollte das DGB-Fest stattfinden. Und auch wie letztes Jahr wollten wir unser Gruppen-Transparent über den Tisch hängen, als plötzlich der Vorsitzende des DGB-Kreisverbands Ortenau, Klaus Melder, angestürmt kam und darauf bestand, dass wir das Transpi nicht aufhängen dürften – er wolle keine Politik hier bei der 1. Mai-Veranstaltung.

Nachdem wir über dieses seltsame Geschichts- und Eigenverständnis zwischen Belustigung und Ärger schwankend mit dem Aufhängen fortfuhren, drohte er uns, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und uns notfalls rauszuwerfen. Irgendwann kam dann heraus, dass er genau diesen Platz an der Wand der Verdi-Krankenhauskampagne „Der Druck muss raus“ versprochen hatte. Wir hatten eine andere Vermutung, beschlossen aber, den Platz frei zu lassen bis nach der Demo und dann das Transpi anzubringen. Die Verdi-Leute schienen kooperativer zu sein und hatten sich einfach einen anderen Platz gesucht.

Wieder mal bei stetigem Regen trafen sich 200 Menschen auf dem Fischmarkt und zogen zur Reithalle. Der antikapitalistische Block machte sich lautstark bemerkbar und rief beständig Parolen und verteilte Flyer und Zeitungen. Angekommen an der Reithalle formierten wir uns gleich zu einer Spontandemonstration, die dann nach 300 Metern von einem einsamen Polizisten gestoppt wurde: Er bestand auf einer Anmeldung. Diese führten wir dann auch artig durch und konnten, begleitet von zwei Polizeifahrzeugen, eine große Runde durch die Innenstadt ziehen.

Zurück in der Reithalle, betreuten wir unseren Infotisch, führten Gespräche mit Interessierten, aßen leckeres (veganes) Essen der alevitischen Gemeinde Offenburg und lachten noch viel über das merkwürdige Geschichts- und Politikverständnis eines DGB-Kreisverbands-Vorsitzenden.

Den Abend ließen wir im neu entstehenden Zentrum in der Rammersweierstraße in gemütlicher Runde mit den Genoss*innen des antikapitalistischen Blocks ausklingen.

Wir kommen auch nächstes Jahr wieder. Mit Infotisch. Mit Transpi. Mit Politik.

Für die Anarchie!

Offenes Treffen: Anarchistisch Wandern im Schwarzwald

Wir laden euch ein, mit uns gemeinsam am Samstag, den 11.04.2015, im Schwarzwald bei Offenburg wandern zu gehen.

Treffpunkt ist um 11 Uhr am Alarmraum, Lise-Meitner-Straße 10, Offenburg. Von dort aus fahren wir gemeinsam mit Autos zur Rundwanderung. Diese wird zwischen sieben und neun Kilometer lang sein, so dass (fast) jede*r teilnehmen kann, auch ohne sportlich topfit sein zu müssen.

Im Anschluss wollen wir gemeinsam Grillen. Dafür sollte jede*r ihr*sein essen und Trinken selbst mitbringen.

Wir freuen uns auf eure Anmeldungen unter a-ini-og“at“immerda“dot“ch.

a-wandern

Smash Capitalism! – Anarchistischer Aufruf zu den Protesten gegen den G7-Gipfel

[Als Anarchistische Initiative Ortenau untersützen wir den anarchistischen Aufruf zu den Protesten gegen den diesjährigen G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern. Hier könnt ihr ihn lesen.]

A7-Aufkleber2Am 7. und 8. Juni 2015 findet der G7-Gipfel im Schloss Elmau in Bayern statt. Die „Gruppe der Sieben“ setzt sich aus den industriestärksten Nationen der Erde zusammen: den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, Italien, Kanada, Großbritannien, Japan und Deutschland. Laut der Bundesregierung sollen die Schwerpunktthemen dieses Jahr Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik darstellen. Wir sind im Begriff, dieses Treffen mit einem massiven Protest zu stören.

Die G7…
Die Gruppe der Staats- und Regierungschef*innen entstand als „Erfindung“ des Weltwirtschaftsgipfels im Jahr 1975 als Reaktion auf den wirtschaftlichen Aufschwung europäischer Länder und Japans. Sie sollte eine festigende Allianz der wirtschaftlichen Spitzen der globalisierten Welt darstellen, in deren Atmosphäre über wichtige weltbetreffende Fragestellungen und Problematiken beraten werden konnte.
Die G7 ist keine gewählte Vertretung und somit rein rechtlich keine demokratisch legitime Organisation. Somit existiert keine formelle Grundlage, nur ein gemeinsames Treffen, bei welchem unter Ausschluss der Öffentlichkeit – ohne Sitzungsprotokolle – vertrauliche Abmachungen unter den Regierenden geschlossen werden.
Die G7 versteht sich als Weltvertretung, handelt jedoch selbst außerhalb ihres gegebenen Legitimationsrahmens. Das Gipfeltreffen ist ein Demonstration der kapitalistischen Macht, die sich die Staaten selbst gegeben haben und nach außen transportieren.
Der diesjährige Ausschluss Russlands aufgrund der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim soll eine symbolische Absage an undemokratische Methoden sein, wie sie die G7 selbst jedoch weltweit einsetzen. Tatsächlich geht es auf beiden Seiten um wirtschaftliche, geopolitische Interessen und Machtausdehnung. Die Definition von Menschenrechten und Demokratie ist den einzelnen Staatsorganen überlassen. Sei es bei der Abschottung an den Grenzen Europas und Nordamerikas, der Repression und Ausbeutung der Bevölkerung oder der Umweltzerstörung zu Gunsten des ökonomischen Fortschritts.

… und deren Umgang mit Protesten
Durch Massenproteste der letzten Jahre und Jahrzehnte ist es immer wieder gelungen, die Illegitimität des Zusammentreffens und seine dadurch resultierenden Folgen aufzuzeigen und dieses teilweise zu blockieren. Wir wollen an diese Erfolge anknüpfen und durch gezielte Aktionen den Gipfel soweit wie möglich stören. Hierbei lassen wir unsere Aktionsformen nicht in “gutes” und “böses” Handeln spalten. Dies beinhaltet auch, einen Schwerpunkt auf die gegenseitige Solidarität zu setzen um einen wirkungsvollen Protest zu erreichen.
Die Gipfeltreffen stehen in der Tradition, Gegenstimmen keinen Raum zu geben und jegliche Störung des repressiven „Friedens“ zu unterbinden. So wurden den Demonstrierenden zu jedem bisherigen Protest, auch schon in der Vorbereitungszeit, massive Verfolgung und Grundrechtsversagung zuteil. 2001 gipfelten diese Protestniederschlagungen in der Erschießung des Demonstranten Carlo Giuliani und der gewaltvollen Räumung der Días–Schule in Genua durch die Polizei. Carlos Vater äußerte sich nach Carlos Tod: „Mein Sohn ist ermordet worden und das war nicht eine Einzelperson, sondern der Staat.“
Auch wir sehen diese Angriffe klar als geplante und brutale Repression gegen unsere Proteste und unseren Widerstand. Der Gipfel ist ein Symbol für Ausbeutung, Autorität, Unterdrückung und Zerstörung. Wir appellieren mit unserem Protest aber nicht an den Staat bzw. an die G7, da wir staatliche Strukturen als Mittel zur Exklusion und autoritärer Unterdrückung ablehnen. Wir kämpfen nicht für eine bessere globale Politik, sondern für eine Dekonstruktion der auf wirtschaftlichen Interessen basierenden herrschenden Verhältnisse. Wir protestieren gegen die Machtausübung der G7 und die Folgen ihrer politischen Handlungen. Deshalb rufen wir zu den Protesten gegen den G7-Gipfel 2015 auf.

Gegen menschenverachtende Asylpolitik und Rassismus
Die Bilder aus Lampedusa, die uns 2014 erreichten, sind die Spitze eines größtenteils ignorierten Eisbergs. Im besten Falle „ignoriert“. Denn die aktive Grenzabschottung Europas und Nordamerikas ist kein Versehen oder eine Notlösung, sondern eine gewollte Ausgrenzung Geflüchteter. Krieg, Verfolgung, Folter und Hunger oder einfach nur die Sehnsucht nach einem besseren Leben bringt hunderttausende Menschen jedes Jahr dazu, aus ihrer Heimat in „westlich-demokratische“ Länder zu fliehen. Viele von ihnen werden jedoch schon vor den Grenzen wieder von Organisationen wie z.B. Frontex mit sogenannten „Push-back“-Aktionen abgedrängt. Diejenigen, die es schaffen, Fuß in einem Gebiet zu fassen, werden mit Gesetzen schikaniert. Dazu gehören, besonders in Bayern, wo die G7-Staaten sich treffen, die Residenzpflicht, das Betätigungsverbot und die Lagerpflicht.
Dies ist unter anderem zurückzuführen auf eine nationalistische Verwertungslogik der bestehenden Staaten. Es wird in nützlich und unnütz getrennt. Gibt es eine internationale Öffnung, dann nur zu Gunsten von Effizienz- und Produktivitätssteigerung, nicht für meist mittellose Geflüchtete. Daher ist es nicht verwunderlich, dass rassistische Hetze wie z.B. die von „Pegida“ bei vielen Politiker*innen auf Verständnis und nicht auf Empörung stößt. Besonders industriestarken und „entwickelten“ Nationen, wie sie in den G7 vertreten sind, ist jedes Mittel recht, ihre Festung zu verteidigen.
Dazu kommt ein rassistischer Grundkonsens, der, nicht nur in Deutschland, Tradition hat.
Mit der jüngsten Mordserie an neun migrantisch-stämmigen Menschen und einer Polizistin durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), zeigte sich durch die einseitigen Ermittlungen, wie stark die Behörden in Ressentiments denken. Unter anderem wurde jahrelang gegen Angehörige der Ermordeten und Verletze des Keupstraßenanschlags ermittelt, obwohl die Betroffenen schon anfangs Neonazis hinter den Taten vermuteten. Grund hierfür ist ein institutioneller Rassismus und die Verstrickung der deutschen Behörden in die Naziszene. Auch durch den Münchner NSU-Prozess werden diese Strukturen nicht offengelegt, von staatlicher Seite besteht hierfür auch kein Bedarf.
Rassistische Denkweisen sind in allen G7-Ländern keine Randerscheinungen, sondern auch Mittel zur nationalen Erhaltung.
Unser Ziel ist eine Welt ohne Grenzen und ohne Barrieren, die mit Gewalt verteidigt werden und ein solidarisches Miteinander aufhalten. Wir sehen in den G7 ein Symbol für Abschottungspolitik und Privilegienvorherrschaft, gegen die wir uns entschieden stellen.

Gegen Ausbeutung und Unterdrückung
Als Wirtschaftsgipfel gegründet, sind die Schwerpunkte des Treffens interne und vertrauliche Abstimmungen ökonomischer Interessen. Abmachungen, die zwischen den Industrienationen getroffen werden, sollen später Gültigkeit für den Rest der Welt erhalten. Möglich ist dies durch die wirtschaftliche Stärke der Mitgliedsstaaten, in denen 68 der 100 größten Konzerne ihren Sitz haben. Die G7 sind Hauptakteure – und Profiteure – der sogenannten Globalisierung, jenes wirtschaftlichen und sozialen Verdrängungskampfes, der nach dem Ende des “kalten Krieges” weltweit eingesetzt hat.
Hauptaugenmerk allen Fortschritts ist die ökonomische Produktivität. Individualität ist Leistung untergeordnet, um auch eine möglichst konforme Gesellschaft zu konstruieren. Unsere Freiheit misst sich jedoch nicht an ihrer Effizienz.
Es gilt die Devise „Fight the game, face the players!“. Verantwortlich für kapitalistische Unterdrückungsmechanismen sind nicht die einzelnen G7-Staaten und ihre Regierungschef*innen.
Sie reproduzieren jedoch die einstudieren Vorgänge der Leistungsgesellschaft und erheben Sanktionen gegen diejenigen, welche sich nicht an die Gesetze des unumstritten herrschenden Kapitals halten oder halten können.
Wir bekämpfen die G7 als Symbol des Kapitalismus und der Intension, Menschen Kapitalidealen unterzuordnen. Die Interessengemeinschaft fördert ein konkurrierendes, repressives Gegeneinander der Menschen in und außerhalb der G7-Staaten. Vor allem ist dies erkennbar im Umgang mit sogenannten „Entwicklungsländern“, in denen „billige Arbeitskräfte“ und Ressourcen zum Wohle der „westlich-zivilisierten“ Welt ausgebeutet werden und somit eine Kontrolle erzeugen. Solche neokolonialistischen Ansätze schüren die Machtpositionen und Monopolstellungen der Wohlstandsnationen wie z.B. Deutschland.
Es geht uns um mehr als nur eine bessere Verteilung der Produktionsmittel. Wir sind für ein ganz anderes Ganzes, in dem nicht Leistung um der Leistung willen, sondern ein solidarisches Miteinander auf freiwilliger Basis entscheidend ist. Diese Solidarität kann nicht durch aufgezwungene transnationale Verbindungen oder Finanzausgleiche, sondern nur durch die gemeinsame Dekonstruktion von Staat, Nation und Kapital entstehen.

Gegen die Rüstungspolitik der G7
Circa 30 Milliarden Euro gibt die deutsche Regierung im Jahr für Rüstung aus: Deutschland ist ein Exportweltmeister der Waffenindustrie und steht mit an der Spitze der G7-Staaten. Diese haben insgesamt ein Jahresbudget von über 900 Milliarden Dollar für Kriegsgerät und Militärs. Vieles von diesem Geld fließt in sogenannte „Friedenseinsätze“, die zur Stabilisierung von Kriegs- und Krisengebieten beitragen sollen. Diese Interventionen dienen angeblich der Demokratisierung der Welt, sind jedoch Stützen für ökonomische und politische Abhängigkeitsverhältnisse. Wie erfolgreich außerdem „Friedenseinsätze“ laufen, zeigt sich am Beispiel Afghanistans mit dem deutschen Bombardement der Zivilbevölkerung bei Kunduz im Jahr 2009.
Andere Einsätze wie zum Beispiel der (größtenteils US-amerikanische) „War on terror“ schüren Ressentiments und stärken damit ein nationalistisches, exklusives Gemeinschaftsgefühl.
Ebenso steht zumindest die Bundeswehr in Tradition der Wehrmacht und zelebriert deren Verbrechen öffentlich. Zum Beispiel finden sich im bayerischen Hinterland, wo auch der diesjährige Gipfel stattfindet, unzählige Dörfer, in denen rechte Traditionspflege in Form von geschichtsrevisionistischen Wehrmachtsgedenken an der Tagesordnung steht. Explizit in Mittenwald, keine zehn Kilometer von Schloss Elmau entfernt, feiern sich jedes Jahr alte und neue Nazis bei einem sogenannten Traditionstreffen.
Krieg militarisiert die Welt und die jeweilige Gesellschaft und schürt gezielt globale Konflikte um Ressourcen, Staatsgebiete und Machtverhältnisse. Westlicher „Frieden“ impliziert bewaffnete Konflikte anderswo.
Militär bedeutet für uns Unterdrückung, Folter und Mord als Mittel zur angeblichen Krisenbewältigung und Sicherung der „westlichen Freiheit“.
Staat heißt immer Militär und heißt immer Krieg. Lediglich gibt es zwischen den Kriegen Phasen des Friedens. Jeder Staat muss immer danach trachten stärker zu sein als andere Staaten. Er wird immer daraufhin arbeiten, seine wirtschaftlichen Interessen gegenüber anderen Staaten durchzusetzen. Sind die Umfeldparameter für die eigenen Interessen nicht ausreichend, wird er, wenn er dazu in der Lage ist und wenn auch als “spätes“ Mittel, seine Ziele militärisch durchsetzen. Auch wenn er sich dabei Allianzen mit anderen Staaten bedienen muss.

Gegen Umweltzerstörung
Selbstgesetztes Ziel der G7-Staaten ist der nachhaltige Schutz der Umwelt.
Innerhalb der einzelnen sieben Länder ist dies jedoch ein utopischer Vorsatz.
Während in Japan nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima Wasser, Luft, Boden und Nahrungsmittel in der land- und meerseitigen Umgebung des Atomkraftwerkes Fukushima I kontaminiert sind, ignorieren die politischen Spitzen der G7 die verheerenden Folgen, welche Nuklearenergie schafft. Die Lösung des Problems bringt nicht die geplante „Energiewende“ der Bundesregierung, da dies letztendlich nur zur Fremdbeschaffung der Atomkraft führt (z.B. von Frankreich). Die Risiken, welche von Atomkraftwerken ausgehen, sind dystopischen Ausmaßes. Trotzdem werden sie von Staatsregierungen mit Geldern in Millionenhöhe gefördert.
Ebenso verhält es sich mit dem Stein- und Braunkohleabbau, der nicht nur Böden und Landschaften und mit ihnen auch den Existenzrahmen der dort ansässigen Lebewesen zerstört, sondern auch Zwangsenteignungen von Grundstücken zur Flächennutzung mit sich bringt.
Insgesamt spielen auch weltweite Monokulturen meist großer Konzerne mit ein. Natürliche Vegetationen und geschützte Flächen werden wirtschaftlich orientiert durch einseitigen Anbau abgenutzt und zur ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit mit Pestiziden behandelt, die nicht nur der Erde, sondern auch den Menschen, die in unmittelbarer Nähe wohnen oder damit arbeiten müssen, schaden. Vor allem in südlichen Ländern, beispielsweise in Lateinamerika, sind ganze Dörfer von den Folgen der giftigen Düngemittel, entwickelt von Firmen wie Bayer oder Monsanto im Auftrag des Staates, durch enorme gesundheitliche Schädigungen beeinträchtigt. Auch in der Nutzung der Umwelt und ihrer natürlichen Ressourcen ist Effizienz das Essenzielle. Ein Beispiel hierfür ist auch die Genmanipulation von Lebensmitteln, die nicht absehbare Risiken bergen. Ein nachhaltiger Umgang mit der Erde ist Grundlage des lebensbejahenden Freiheitskampfes und aller späteren Existenz, auch der befreiten solidarischen Gesellschaft. Die Umweltzerstörung der Herrschenden, ist die Negation unserer Zukunft.
Die Scheinheiligkeit der G7-Staaten beim Thema Umweltschutz zeigt sich zuletzt bei der Wahl des Tagungsortes 2015 im ökologisch sensiblen Werdenfelserland. Für die tatsächlichen zwei Tage der Besprechungen bedarf es massiver Eingriffe in das Naturschutzgebiet rund um Schloss Elmau. Es müssen mehrere Straßen und Hubschrauberlandeflächen gebaut sowie diverse Leitungen und Ersatzleitungen verlegt werden.

Gegen den Staat
Als Anarchist*innen sehen wir den Staat als patriarchalen überwachenden Unterdrückungsmechanismus, der bestehende Hierarchien durch beispielsweise Gesetzgebung und Institutionen nicht beseitigt, sondern im Gegenteil festigt und reproduziert. Rühmen sich auch die G7-Staaten, demokratisch und modern zu agieren, so sind doch die Menschen in den Nationen, welche sich nicht hierarchiebejahend unterordnen, Zielscheiben von Repression und Entrechtung. Grenzen dienen zur Ab- und Ausgrenzung der „Anderen“. Stolz auf die Nation zu sein, heißt, ein Land mit allen seinen historischen Kapiteln, sozialen wie politischen Verhältnissen, Verdrängungen und überlieferten Normen zu zelebrieren. Dies bedeutet in Anbetracht der herrschenden Ordnung ein Ignorieren, Umdeuten oder Gutheißen von rassistischen Normalzuständen, Heteronormativität, Sexismus, Patriarchat, Sozialchauvinismus, Leistungsdruck und anderen menschenverachtenden Freiheitsberaubungen. Die Wege der Nation zur „Stabilisierung“ der Ökonomie führen zu einer gewollt ungerechten Verteilung zu Gunsten der Autoritäten.

Der Protest gegen G7 ist gleichzeitig der Protest gegen Staat, Nation und Kapital. Staaten egal welcher Ausprägung sind immer Institutionen zur Sicherung der Machterhaltung privilegierter Gruppen. Kapitalistische Staaten, ebenfalls egal welcher Ausprägung, unterstützen, sichern und schützen zudem das Kapital.

Was wir wollen
Die Liste dessen, was wir ablehnen, ist lang. Wir könnten an dieser Stelle noch viele weitere Punkte aufführen. Ebenso umfangreich ist die Fülle unserer Vorstellungen, Ideen und Ziele, weswegen wir uns in diesem Aufruf auf wenige zentrale Punkte beschränkt haben:
Als Anarchist*innen eint uns das Ziel, eine solidarische, respektvolle, gewalt- und herrschaftsfreie, also eine emanzipatorische Gesellschaft aufzubauen. Ein solches Vorhaben ist in den herrschenden Verhältnissen nicht ohne weiteres möglich, da im Kapitalismus nicht die Bedürfnisse aller Menschen, sondern einzig eine nach Profitmaximierung ausgerichtete Verwertung aller Lebensbereiche im Vordergrund stehen.
Um einer befreiten Gesellschaft näher zu kommen, müssen wir uns mit alltäglichen Herrschaftsverhältnissen und Unterdrückungsmechanismen kritisch auseinandersetzen und sie letztlich als Ganzes überwinden. Dabei bleiben wir nicht bei der Forderung nach weniger Arbeit, uneingeschränktem Bleiberecht, billigem Wohnraum oder kostenloser Bildung stehen, sondern fordern den materiellen, kulturellen und sozialen Reichtum für alle.
Einem Leben wie wir es uns wünschen, in Selbstbestimmung und Solidarität, muss ein von Gleichberechtigung und Respekt geprägter Umgang zugrunde liegen. Sicherlich ist es noch ein sehr langer Weg bis dorthin, aber wir tragen unsere Vorstellungen und Hoffnungen mit uns.
Um unseren Zielen Schritt für Schritt näher zu kommen, bauen wir bereits im Hier und Jetzt alternative Strukturen auf, treten Missständen auf vielfältige Art und Weise entgegen und erlernen, ohne Ellenbogenverhalten oder Mehrheitsentscheide, sondern im Konsens unsere Entscheidungen zu treffen.
Um die vorhandenen Hierarchien und Unterdrückungsmechanismen überwinden zu können, müssen wir sie und unsere eigene Rolle dabei erkennen, reflektieren und jeden Tag aufs Neue hinterfragen. Wir wollen die Hierarchien bekämpfen, die Menschen in einer Gesellschaft nach Macht und Nicht-Macht, in höhere und niedere Statusgruppen einteilen.
Hierzu ist es nötig aktiv zu werden.
Unseren Protest werden wir an den Aktionen rund um den G7-Gipfel in die Öffentlichkeit tragen, denn dies ist nicht das Ende der Geschichte!

Kommt und beteiligt Euch zahlreich an den Aktionen gegen den G7-Gipfel, das Symbol für Unterdrückung und Ausbeutung!

Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen und Anarchistische Föderation Rhein/Ruhr

Unterstützer*innen

Falls ihr den Aufruf unterstützen oder Mobi-Materialien bestellen meldet euch unter:blockg7 AT riseup DOT netblockg7 AT riseup DOT net || PGP-Key

Weitere Infos, Termine und Radiobeiträge findet ihr unter: http://fda-ifa.org/g7/

Bericht vom FdA-Treffen in Ludwigsburg 2015

Mitte Januar waren wir als Gäste beim Treffen der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA) in Ludwigsburg, das vom Libertären Bündnis Ludwigsburg im Demokratischen Zentrum ausgerichtet wurde.

Hier könnt ihr den Bericht von (LB)² dazu lesen:

FdA-Logo-klein-sternEnde Januar fand im Demokratischen Zentrum (DemoZ) Ludwigsburg das erste von in der Regel drei FdA-Treffen pro Jahr statt. Zum zweiten Mal (nach 2012) wurde das Treffen vom Libertären Bündnis Ludwigsburg (im Folgenden (LB)² abgekürzt) ausgerichtet. Da das vorherige Treffen im September 2014 in Berlin stattfand, konnte mit Ludwigsburg wieder ein Ort in einer anderen geographischen Region gewonnen werden. Dies spielt vor allem für die Einladung von Gästegruppen eine Rolle. Dementsprechend kamen vor allem (aber nicht nur) Gruppen aus dem südlicheren deutschsprachigen Raum zum Treffen, die nicht Mitglied in der FdA sind. Neben Aktiven der Libertären Aktion Winterthur und der Anarchistischen Initiative Ortenau, die schon bei früheren FdA-Treffen als Gäste anwesend waren, konnten wir als neue Gäste Vertreter*innen der Anarchistischen Gruppe Dortmund, der Libertären Antifa München und Auf der Suche Nürnberg begrüßen. Vor allem die beiden letztgenannten Gruppen wurden mit großer Freude und Spannung empfangen, gab es doch bisher wenig Austausch mit organisierten Zusammenschlüssen aus Bayern auf FdA-Ebene.

Insgesamt nahmen ca. 35 Personen aus 15 verschiedenen Gruppen am Treffen teil. Ein Großteil davon fand sich bereits Freitag Abend im DemoZ Ludwigsburg ein. Da die erste Plenumsphase erst für Samstagmorgen vorgesehen war, blieb am Freitagabend genug Zeit, um in Ruhe anzukommen, sich kennenzulernen oder an vergangene Begegnungen anzuknüpfen. Zwei Infotische von (LB)² und dem Infoladen Karlsruhe versorgten alle Interessierten mit lesenswerter Literatur, Fahnen, Aufnäher, Sticker und Buttons. Auf dem weiten Weg aus Berlin wurde eine (gefühlte) LKW-Ladung an Broschüren mitgebracht, unter anderem der aktuelle CrimethInc-Aufruf „Alles verändern“ und die frisch gedruckte Neuauflage der Broschüre „Anarchismus – Eine Einleitung“ des Anarchistischen Netzwerks Südwest*. So fand ein reger Austausch von Materialien zwischen den Städten statt.

Ebenfalls auf Interesse stieß die im DemoZ gerade zu sehende Ausstellung „Salz und Brot“ von Peter Schmidt. Eine über zwei Meter hohe Installation, bestehend aus einer nachempfundenen Packung Salz sowie einem Laib Brot auf einem Holztisch, bildet die traditionelle Geste des Willkommens ab. In die Rückseite der Salzpackung sind mehrere Installationen im Modellbaumaßstab 1:87 wie Schubladen übereinander eingebaut. Zu sehen sind Szenen der Unterstützung von Flüchtlingen (z.B. das Refugee-Camp auf dem Oranienplatz), aber auch deren Ablehnung, der Umgang mit ihnen und die Auseinandersetzungen um sie und mit ihnen. Das Spannungsfeld der sogenannten Willkommenskultur und der Ausländerfeindlichkeit in Deutschland ist Thema der Ausstellung. Alle Szenen sind als große Fotografien im DemoZ-Kneipenraum nochmal abgebildet. Sehr anschaulich bekamen die Besucher*innen so einen kleinen Eindruck der kulturellen Vielfalt des DemoZ. Die Veranstaltungen und Aktivitäten im DemoZ reichen von Vorträgen, Filmvorführungen, praktischen Workshops über Ausstellungen, Voküs, Konzerte und (Frauen-)Discos bis hin zu Kampfsporttraining oder Zeichenkurse. Als selbstverwaltetes, nicht-kommerzielles Zentrum setzt das DemoZ auf eine „Kultur von unten“, die eine Gegenposition zu diskriminierenden gesellschaftlichen Entwicklungen einnimmt. Das Zentrum besteht schon seit 1980. Maßgeblich an der Gründung und dem Aufbau des Zentrums beteiligt waren die sozialen Bewegungen der 70/80er Jahre, vor allem die lokale Anti-AKW-Bewegung.

Obwohl sich die geselligen Gespräche am Freitagabend noch sehr lange in die Nacht zogen (und ebenso die Anreise einiger Personen – die letzten kamen um halb vier Uhr nachts an), begann das erste Gesamtplenum pünktlich am nächsten Morgen. Nach der offiziellen Begrüßung und Vorstellung aller Teilnehmenden wurden allen neuen und interessierten Personen in einem Extraraum die FdA, ihre Strukturen und Arbeitsweisen vorgestellt und Raum für Fragen gegeben.

Als alle sich wieder im Großplenum versammelt hatten (der Rest hatte inzwischen Organisatorisches besprochen) sah die Tagesordnung eine erste AG-Phase vor. Unter anderem sollte in einer AG ein Austausch der Gruppen über die Planungen der 1. Mai-Aktivitäten stattfinden. Leute aus dem Ruhrgebiet gaben bekannt, dass dieses Jahr eine anarchistische 1. Mai-Demonstration in Dortmund geplant sei, was auf positive Resonanz stieß. Diskutiert wurden Formen der Unterstützung durch die FdA bzw. föderierte Gruppen außerhalb des Ruhrgebiets. Die Frage einer zentralen Mobilisierung am 1. Mai nach Dortmund wurde kontrovers diskutiert. Letztlich hatte bei einigen Gruppen, welche in eigenen 1. Mai-Bündnissen involviert sind, die Teilnahme vor Ort Priorität. Gruppen, welche nicht in lokale 1. Mai-Bündnisse eingebunden sind, werden voraussichtlich auf die Anarchistische 1. Mai-Demonstration nach Dortmund mobilisieren.

Eine Person vom Anarchistischen Radio Berlin stellte das das Projekt „Radio aktiv“ vor – ein interaktives Projekt, welches von anarchistischen Radio-Gruppen in Brasilien schon umgesetzt wird. Dabei handelt es sich um eine gestreamte Radio-Livesendung. Ein extra dafür eingerichteter Online-Chat gibt den Zuhörer*innen die Möglichkeit schon während der Radio-Sendung Rückmeldung zu geben oder eigene Ideen und Inhalte einfließen zu lassen und damit die Radiosendung mitzugestalten. Nachdem dieses Konzept vorgestellt wurde fand eine produktive Diskussion statt über potentielle Umsetzungsformen, Grenzen und Hürden sowie Unterstützungsmöglichkeiten des Projekts durch andere FdA-Gruppen. Ob und wie das Projekt (testweise) umgesetzt wird, ist noch offen – ihr dürft gespannt sein.

Emma Goldmans Autobiographie „Gelebtes Leben“ (Originaltitel “Living my life”, 1931 erschienen) gibt es in der deutschen Übersetzung schon seit Ende der 1970er Jahre. Ins Russische (der Geburtssprache Emma Goldmans) wurde das Buch bisher jedoch aus verschiedenen Gründen nicht übersetzt. Ein russisches Übersetzungskollektiv (RTP) findet ihr Buch immer noch so lesenswert, aktuell und wichtig, dass sie es in die russische Sprache übersetzen wollen. Da ein erster Finanzierungsversuch über Crowdfunding in Russland nicht funktionierte, wurde an eine Person in der FdA die Bitte nach Unterstützung der Finanzierung herangetragen. Hier ist wichtig zu wissen, dass das Übersetzungskollektiv als wirtschaftlicher Zusammenhang mit Löhnen funktioniert. Eine Schätzung geht davon aus, dass für die Übersetzung der fast 1000 Seiten (im Original) etwa 8000€ benötigt werden. Als Finanzierungsmöglichkeit sollen Postkarten mit Zitaten von Emma Goldman gedruckt und verkauft werden. Weitere Unterstützungsmöglichkeiten durch die FdA wurden im Plenum gesammelt. Ein Spendenkonto wird eingerichtet, es werden durch verschiedene FdA-Gruppen Veranstaltungen stattfinden.

In einer weiteren AG-Phase fand am Nachmittag unter anderem ein Erfahrungsaustausch über den Aufbau von Lokalföderationen bzw. Lokalvernetzungen statt. Zunächst stellten Personen der Anarchistischen Föderation Rhein-Ruhr (AFRR) ihr Konzept des offenen anarchistischen Organisierungstreffens vor sowie den Ablauf und die Entwicklung, wie die AFRR entstanden ist. In Dortmund wurden von der lokalen Anarchistischen Gruppe 2 offene Organisierungstreffen veranstaltet. Hier hatten Leute, welche noch nicht in (anarchistischen oder lokalen) Gruppen aktiv sind, die Möglichkeit miteinander und mit aktive Leute von lokalen anarchistischen/libertären Projekte ins Gespräch zu kommen und Anschluss zu finden. Die bisher bestehenden Projekte stellten sich kurz vor und im weiteren Lauf des Treffens wurden die Interessengebiete der Interessierten gesammelt. Die Interessierten konnten so mit Gleichgesinnten verschiedene thematische Arbeitsgruppen bilden und sich mit den schon bestehenden Initiativen vernetzen. So entstanden beim 1. offenen Organisierungstreffen in Dortmund 9 AGs, unter anderem zu den Themen Anarcha-Feminismus, Bildung & Jugend oder eine Lesekreis-AG. In der anschließenden Diskussion wurde die Übertragbarkeit dieses Konzepts auf Regionen mit anderen Rahmenbedingungen (z. B. ländliche Region anstatt großstädtischem Ballungsraum) diskutiert, aber auch Aspekte wie Offenheit für Repressionsorgane. Danach wurde der Gründungsprozess des Anarchistischen Netzwerks Südwest* (A-Netz Südwest*) von daran beteiligten Personen vorgestellt. Im Gegensatz zu der AFRR, welche erst eine übergeordnete Kommunikations- und Austauschstruktur aufgebaut hat um danach die Voraussetzungen für eine lokale Gruppenbildung zu schaffen, verlief dieser Prozess beim A-Netz Südwest* genau andersherum: Es bestanden schon anarchistische Gruppen in verschiedenen Städten im Südwesten*, bevor erste Vernetzungstreffen zwischen den Lokalgruppen stattfanden. Das Netzwerk bildete sich nach einer ersten gemeinsam organisierten Veranstaltungsreihe/Kampagne. Nach fast 5-jährigem Bestehen blickten die Beteiligten außerdem kritisch auf Möglichkeiten, Entwicklungen, aber auch Probleme einer regionalen Vernetzung. Der gesamte Erfahrungsaustausch innerhalb der AG wurde von den Teilnehmenden interessiert aufgenommen, insbesondere da es auch in anderen Regionen im deutschsprachigen Raum Ideen und Pläne für eine (formellere) Vernetzung von Lokalgruppen gibt.

Nach den offiziellen Plenum und der Diskussion weiterer Themen verlief der Samstagabend entspannt bei geselliger Atmosphäre zwischen den anwesenden Personen.

Am Sonntag gab es noch zwei große Arbeitsgruppen: Zur Föderationszeitung Gaidao sowie zur internationalen Vernetzung und speziell zur Internationalen der Anarchistischen Föderationen (IFA). Neben regelmäßig zu besprechenden Themen in der Gaidao-AG wie beispielsweise die Aufgabenverteilung bei der Erstellung der Gaidao oder Werbemaßnahmen, wurden auch mögliche Neuerungen besprochen. So gibt es die Idee für die Audio-Version der Gaidao ausgewählte Texte von realen Sprecher*innen vorlesen zu lassen (in der aktuellen Audio-Version geschieht dies durch eine Computerstimme). Dies würde die Qualität der Audio-Version deutlich steigern, ist jedoch eine Frage der Beteiligung und der verfügbaren Kapazitäten. Außerdem wird es bei der Anarchistischen Buchmesse im April in Mannheim wieder einen Gaidao-Stand geben. Und auch dieses Jahr sind wieder ein bis zwei Gaidao-Sonderausgaben geplant.

Die AG Internationales diskutierte unter anderem die Themen für das kommende Delegiertentreffen der IFA (siehe dazu den Erfahrungsbericht der CRIFA in Paris in diesem Heft). Ebenfalls besprochen wurde das anarchistische Mittelmeertreffen, das im Oktober in Athen stattfinden soll. In Vorbereitung dazu wird es bereits im März ein Vortreffen in Tunesien geben. Hierfür will die FdA finanzielle Unterstützung leisten.

Nach einem ausführlichen Feedback der Teilnehmenden zum Treffen ging zumindest der offizielle Teil des Treffens dem Ende entgegen. Als Fazit bleibt festzuhalten: Sowohl die hohe Anzahl an Teilnehmer*innen als auch die Vielzahl an vertretenen Gruppen/Städten (inklusive 5 Gästegruppen) zeigen, dass es ein großes Interesse gibt an Austausch und Vernetzung im Allgemeinen sowie an der FdA im Speziellen. So konnten sich in den drei Tagen des Treffens persönliche Kontakte entwickeln. Aber es ist auch konkrete Zusammenarbeit an verschiedenen Projekten geplant worden, die für die Zukunft ein in Austausch bleiben fördern werden. Insgesamt beinhaltete das FdA-Treffen in Ludwigsburg eine spannende und gelungene Mischung aus Informations- und Erfahrungsaustausch, konkreter praktischer Planung und Raum für informelles Miteinander.

Fragend schreiten wir voran…

Ein Rückblick auf unsere Veranstaltungsreihe “Gegen den Strom – selbstbestimmtes Leben jenseits von Profit und Ausbeutung” im November 2014

plakatausschnittIm Frühjahr 2014 hatten wir die Idee, den Film “Cecosesola – Gelebte Utopie einer Kooperative in Venezuela” zu zeigen. In der Diskussion über den Film kam in der Gruppe ziemlich bald der Gedanke auf, dass diese Kooperative ja schön und gut, aber reichlich weit weg ist. Mit uns vor Ort ließ sich das Ganze nicht so richtig vergleichen: zu unterschiedlich sind die Bedingungen und die Geschichte. Um dies aufzufangen, wollten wir im Anschluss regionale Projekte vorstellen. Es wurde uns schnell klar, dass es in diesem Rahmen nicht zu mehr reichen würde, als die einzelnen Projekte kurz namentlich zu nennen, dabei aber die Inhalte verloren gehen würden. So überlegten wir, eine ganze Reihe zum Thema Selbstverwaltung zu organisieren, bei der die beteiligten Gruppen die Möglichkeit haben sollten, sich und ihre Idee vorzustellen.

Wir machten uns daran, Projekte überwiegend aus der Ortenau zu finden, die sich grob unter dem Thema “Selber machen” sammeln ließen. Wir waren dann doch überrascht, wie viele es da gibt. Die allermeisten Projekte sagten ohne große Umstände zu und zeigten keinerlei Scheu, mit den Anarchist*innen zusammenzuarbeiten.

So hatten wir am Ende des Sommers nach einigem Hin und Her acht interessante Veranstaltungen stehen:

1. Cecosesola – Gelebte Utopie einer Kooperative in Venezuela (Filmvorführung)
2. Gemeinwohlökonomie (Vortrag und Diskussion)
3. Solidarische Landwirtschaft Ortenau (Vortrag und Diskussion)
4. Repaircafé Offenburg (Vortrag und Diskussion)
5. Kommune und Druckereiwerkstatt Mühle Renchen (Vortrag und Diskussion)
6. Steffi Bleibt! (Filmvorführung)
7. Freie Software (Vortrag und Diskussion)
8. In Transition 2.0 (Filmvorführung)

Wir wollten mit unseren Veranstaltungen nicht nur uns selbst erreichen und bilden (was aber auch immer ein Beweggrund ist), sondern auch Menschen, die zwar keine Anarchist*innen sind, sich aber für die Thematik der Selbstverwaltung interessieren oder uns kennenlernen wollten.

Wir gestalteten Flyer und Plakate, legten sie großflächig in der Ortenau aus, verschickten sie und betrieben eine aufwändige Öffentlichkeitsarbeit: wir schrieben Pressemitteilungen zur gesamten Veranstaltungsreihe und zusätzlich zu den einzelnen Terminen an die lokalen Redaktionen und fütterten sämtliche örtlichen, uns bekannten Veranstaltungsforen. Natürlich bewarben wir die Reihe auch auf den üblichen Wegen: Indymedia linksunten, auf unserem Blog, über unseren E-Mail-Newsletter und auf diversen Websites.

Überrascht waren wir davon, dass wirklich jede einzelne Veranstaltung im Offenburger Tageblatt abgedruckt wurde. Teilweise wurden unsere Pressemitteilungen wörtlich übernommen. Die Veranstaltung zu Freier Software schaffte es sogar in die linksliberale “die tageszeitung”.

Die Veranstaltungen waren für Offenburger Verhältnisse durchweg gut besucht. Es waren immer Leute von außerhalb der Anarchistischen Initiative dabei, teilweise auch gänzlich neue und szenefremde Gesichter. Durchschnittlich fanden 14,5 Menschen den Weg zu uns, davon 6,5 externe Besucher*innen. Bei der guten Berichterstattung in den Printmedien hätten wir zwar noch einige Menschen mehr erwartet, freuten uns aber dennoch über die anwesenden, eifrig mitdiskutierenden und offenen Leute, die sich nicht von dem Wort “anarchistisch” abschrecken ließen. Die Rückmeldungen der Besucher*innen und sonstigen Informierten zu der Reihe waren gut. Einziger Wermutstropfen war die Lage des Veranstaltungraumes: sie scheint für viele eine Hürde zu sein, weil der Raum außerhalb der Innenstadt liegt und der Weg dahin nur schlecht beleuchtet ist.
Überraschend war für uns, dass von den Referent*innen niemand bei anderen Veranstaltungen auftauchte. Vermutlich kannten sie die Inhalte bereits oder waren zu eingebunden in eigene/andere Termine. Allerdings war die Vernetzung auch nicht unser Hauptanliegen. Ein Stück Vernetzung ist allein dadurch schon passiert, dass sich die Referent*innen auf uns einließen und bereit waren, uns kennen zu lernen.

Einige Referent*innen bezogen sich in ihren Beiträgen explizit auf den Anarchismus und stellten die vorhandenen Gemeinsamkeiten dar. Teilweise wurden in den Diskussionen im Anschluss die Projekte unter anarchistischen Gesichtspunkten betrachtet. Die Rückmeldungen der einzelnen Referent*innen waren positiv: die freundliche, lockere Atmosphäre und die kritischen Diskussionen wurden gelobt. Einerseits wurde der angenehme Veranstaltungsraum hervorgehoben, andererseits wurde er als “zu suspekt” für “gesetzteres Publikum” wahrgenommen.

Erfreulich war, dass sich einige unserer Initiative aufmachten, trotz Widerständen und persönlicher Unsicherheiten den inneren Schweinehund zu überwinden: die acht Veranstaltungen wurden von sechs verschiedenen Personen mit einleitenden Worten eröffnet. Es war ein Versuch, erste Schritte zum Abbau von informellen Hierarchien zu gehen und anarchistische Ansprüche im eigenen Umfeld umzusetzen. Auch die Vorbereitung der Reihe durch wenige Personen wurde kritisch hinterfragt und führte zu konkreten Veränderungen und Aufgabenverteilungen für zukünftige Projekte.

Somit werten wir die Reihe als Erfolg: sie wurde in der Öffentlichkeit wahrgenommen, gut besucht und die Rückmeldungen waren im Großen und Ganzen positiv.

Es geht immer weiter.
Für die Anarchie.

Anarchistische Initiative Ortenau, Februar 2015